Typisches Wesen des Kangal Herdenschutzhundes
Reise 2001 in der Gegend von Sivas-Kangal
Dieser Kangal Rüde überprüft die sich seiner Herde nähernde Menschengruppe und entscheidet dann eigenständig, ohne Anweisung des Hirten, dass wir keine Bedrohung für seine Herde darstellen. Er bezieht dabei taktisch Stellung zwischen uns und seinen Schutzbefohlenen. Es wäre nicht ratsam sich weiter anzunähern, wenn der Hund signalisiert, dass er die Situation als bedrohlich einstuft. Würde er jetzt drohen damit wir uns nicht weiter annähern, geht man einfach langsam und ruhig wieder auf Abstand und der Hund wird einen nicht weiter verfolgen.
Herde auf dem Weg nach Kangal, Türkei 2005
Das oft in der Literatur beschriebene misstrauische bis ablehnende Verhalten der HSH fremden Menschen gegenüber habe ich persönlich bei Kangal-Hunden nicht oder kaum beobachten können. Die große Mehrzahl der Kangals sind absolut erfreut wenn fremder Besuch kommt, um so mehr freuen sie sich dann über bekannte Gesichter. Das bedeutet aber nicht, dass man sein Grundstück oder Territorium in Abwesenheit des Hundehalters betreten sollte! Fremden Personen gegenüber zeigt der Kangal ein freundliches bis gleichgültiges Verhalten. Bei Anwesenheit des Hundehalters auch auf dem eigenen Territorium. Er verfügt über ein sehr feines Gespür wer etwas Böses im Schilde führt. Auf Bedrohungen und Gewalt reagiert er mit wohl abgestimmten Gegenmaßnahmen.
Herde in Sivas-Kangal, Türkei 2001
Die Hunde bleiben neutral und gelassen und das, obwohl sie mit einer ganzen Gruppe neugieriger konfrontiert sind. Die auch noch Fotos schießen. Das gehört nicht gerade zum Arbeitsaltag des Herdenschutzhundes.
Türkei 2001
Dieser Kangal folgt seiner Herde und geht dabei ganz gelassen zwischen uns durch.
Diese Hunde sind dafür gezüchtet, sehr eigenständig zu agieren und selbst zu entscheiden, was für ihre Schutzbefohlenen eine Bedrohung darstellt. Jedes Raubtier wird durch massives Bellverhalten, vor allem ab der Abenddämmerung, weiträumig von der Herde fern ge halten. Bei weiterer Annäherung werden auch nervige Scheinangriffe gestartet, bis das Raubtier aufgibt und sich leichtere Beute sucht. Dabei kann man immer wieder mit Staunen erfahren, wie schnell der sonst phlegmatisch ruhige Hund zu blitzschnellem Handeln fähig ist. Nicht nur Raubtiere stellen für Nutztierherden eine Gefahr dar, sondern auch Diebe und wildernde Hunde. Kein Herdenschutzhund soll sich über den Anblick fremder Hunde so freuen, dass er ihnen erlaubt, sich der Herde zu nähern.
Herde bei Ladik, Türkei 2006
Diese Hunde haben wir gerade erst kennen gelernt, und schon bekommt Elisabeth ein "Willkommensküsschen“.
Natürlich beobachten die Hunde uns, und beurteilen was wir da machen. Das ist ja auch ihr Job! Aber solange wir uns freundlich und friedlich verhalten, dürfen wir uns bei ihrer Herde aufhalten.
Das habe ich nun schon auf unzähligen Türkei Reisen, mit vielen verschiedenen Hunden erlebt. Daher kann man die Formulierung im Standart des Kangals sie sollen „ohne unnötige Aggression“ sein verstehen.
Herde bei Ladik, junger Rüde, Türkei 2006, Foto EvB
Einige Hunde sind wirklich froh, dass es Menschen gibt, die eine weite Reise extra aus Deutschland antreten, nur um sie zu kraulen.
Herde bei Ladik, Türkei 2006
Auch die Jogger werden von den Hunden nicht belästigt. Sie gehören für die Hunde offenbar zu ihrer normalen Tagesroutine, und werden daher nicht einmal mehr beachtet.
Kangal 2001
Der Herdenschutzhund bewegt sich immer ruhig und langsam in der Nähe der Schafe, um die Tiere nicht zu beunruhigen und beim Grasen zu stören.
Junghund von Feride und Hasan, 2005
Unerwünschtes Verhalten des unerfahrenen Welpen wird von den Nutztieren zumeist selbst unterbrochen und bestraft. Es ist somit nicht nur der Hirte, der die Erziehung des zukünftigen Herdenschutzhundes übernimmt. Vieles lernen die Welpen auch durch Beobachten und Nachahmen der erfahrenen Althunde. Eine genetische Disposition zum Herdenschutzhund muss aber vorhanden sein, sonst können alle diese äußeren Faktoren nicht fruchten.
Tarak und Ayla besichtigen Schafe, irgendwie wissen sie, das die was Besonderes sind.2007
Natürlich sind meine Hunde nicht auf Schafe geprägt worden, sondern nur gut mit ihnen sozialisiert.
Die Hirtenhunde neigen auch zu einem ausgeprägten Territorialen Imponierverhalten, wozu auch sehr häufiges markieren durch Urinduftmarken gehört. Dieses Verhalten zeigen sowohl die Rüden, wie auch die Hündinnen ausgeprägt. Es dient dazu Raubtieren die Nachricht zu vermitteln, dass diese Gegend für sie nicht gefahrlos zu betreten ist. Der Herdenschutzhund ist in seinem eigenen Revier immer auch wachsamer und abwehrbereiter als auf neutralem Boden. Zu diesem Revier gehört für den Hund sein Grundstück, und alles in der Umgebung, dass er noch überblicken kann, wie sein Auto und alle seine Spaziergehwege, die man öfter mit ihm geht. Nehmen Sie den Herdenschutzhund zu einem Lagerplatz mit und verweilen dort eine Weile mit Ihrem Gepäck, empfindet er unter Umständen sehr schnell, dass er jetzt auch für diese Gegend zuständig ist. Neben dem stark ausgeprägten Wachbedürfnis ist zu beachten, dass Herdenschutzhunde einen reduzierten Jagdtrieb haben (sollen). Sie haben in der Regel kein Jagdverhalten ihren Nutztieren gegenüber, ebenso wie den anderen im Dorf oder auf dem Hof herumlaufenden Tieren gegenüber. Gegenüber Wildtieren ist der Jagdtrieb Individuell unterschiedlich schwach bis stark ausgeprägt. Der Kangal ist ein Sichtjäger, er verfolgt in der Regel keine Wildspuren. Der Kangal ist ein kurz strecken (Sprinter) Jäger. Bei der Verfolgung von Raubwild, wie zum Beispiel Füchsen und Wölfe, meint der Kangal es aber durchaus ernster. Im Gegensatz zu Westeuropäischen Herdenschutzhunden, wurden Kangals, vorallem die Rüden, eher dafür gezüchtet Raubwild auch weiträumig von den Herden fern zu halten oder sogar zu töten.
Weitere Informationen zu dem Thema finden Sie im Kapitel: Ausbildung: Jagdverhalten
Trotzdem ist ein guter Herdenschutzhund nicht derjenige, der sich sinnlos in Gefahr begibt. Der Angriff ist nicht die Norm, sondern nur die allerletzte Möglichkeit. Sie sollen Raubtiere stören und vertreiben, und nur in Ausnahmefällen töten! Sonst würde man sie ja auch nicht zur nicht tödlichen Kontrolle der Raubtiere einsetzen wie zum Beispiel in Namibia bei dem Geparden Schutz Projekt.
Informationen zu diesem Thema finden Sie unter: www.cheetha.org
Unbekanntes wird vorsichtig untersucht, um dann zu entscheiden, ob es eine Gefahr darstellt die abgewehrt werden muss.
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Samsun 2006, Fotos AK und ein Foto EvB
Beide Hunde fanden die überdimensionale Kangal-Figur unheimlich, da ihnen so etwas völlig unbekannt war. Durch Abchecken der Situation merken sie, dass es hier keine Bedrohung gibt. Das ist ein Beispiel, wie Herdenschutzhunde mit unbekanntem oder potentiell Bedrohlichem umgehen. Trotz ermutigung des Eigentümers zu streiten, entscheidet der Hund, das es in diesem Falle unnötig ist. Dank ihres guten Sozialverhaltens erkennen sie auch schnell, ob ein Hund wirklich mit ihnen streiten will, oder doch nur etwas Dampf ablässt, oder sich aus Unsicherheit aggressiv Verhält.
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Ceylan, Ayla und Python, 2007 Foto EvB
Der Kangal ist ein Hund mit ausgeprägt gutem Sozialverhalten und obwohl Situativ eher dominant, durchaus sehr flexibel in seinem Verhalten.
Informationen zu dem Thema Dominanz finden Sie im Kapitel: Ausbildung: Dominanz
Der Kangal ist ein Hund der viel kommuniziert. Damit mich hier keiner falsch versteht, auch aggressive Kommunikation gehört zum Normal-Verhalten des Hundes.
Ayla und Python 2007, Foto EvB
Der Spieltrieb, ist bei HSH weniger stark ausgeprägt, als bei anderen Hunden. Wenn sie Spielen sind es erstens körperliche „Ringkämpfe“, zweitens Rennspiele und drittens Zerrspiele. In der Türkei sieht man die Hunde kaum spielen. Das hängt mit drei Faktoren zusammen: Sie haben nicht so reichhaltiges Futter und müssen ihre Energien für den Ernstfall (Raubtierangriff) aufsparen. Tagsüber ist es zu heiß und der eher Nachtaktive HSH döst im Schatten vor sich hin. Wenn sie nachts auf den Hochalmen sind, sind sie mit Wachdienst, Umgebung Patrouillen, Urinmarken setzen und der einen oder anderen Kaninchenjagd beschäftigt. Der Kangal ist eine sehr „Erwachsen“ wirkender Hund, eher ernsthaft. Die Kangals die ich in Europa kenne, spielen dagegen etwas häufiger. Immer in Intervallen wird das Spiel unterbrochen und kurz in die Umgebung geschaut und gelauscht, ob noch alles in Ordnung ist, dann wird weiter gerungen. Sie vergessen sich nicht völlig während des Spiels. Mit fremden Hunden wird, wenn überhaupt, dann nur kurz gespielt. Am liebsten spielen sie mit anderen HSH, da Hunde die die gleichen Spielformen aufweisen bevorzugt werden.
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Ayla und Fiete, 2005 Foto TL
Obwohl man sich auch als Kangal zum Spielen ganz klein machen kann.
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Sayid und Marc, 2009
Sayid findet es viel schöner, an dem Frisbee herum zu zerren, als hinter ihm her zu laufen.
Objektspiele finden sie im Großen und Ganzen eher uninteressant. Die bei vielen Gebrauchshunderassen übliche Ausbildung über Beutemotivation ist beim Herdenschutzhund eher schwierig, da er dafür nicht ausreichend dauerhaft motiviert werden kann.
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Senay, Coffee und Marc, Foto 2009
Weitere Informationen zum Thema Wesen und Verhalten des Kangal Herdenschutzhundes finden sie in den Kapiteln: Haltung in urbanen Gebieten und Ausbildung des HSH zum Familienhund
In der Türkei bei den Hirten und Dorfbewohnern Anatoliens sind überaggressive oder mit Kindern unzuverlässige Hunde unerwünscht. An der Herde kann kein Hirte Herdenschutzhunde gebrauchen, die zu lebhaft, verspielt oder aggressiv sind und Unruhe verbreiten. Die Zuchtauswahl wird immer noch sehr stark von den rassetypischen Verhaltensweisen bestimmt und dann erst vom äußeren Erscheinungsbild. Hunde die an der Herde arbeiten, stehen zusätzlich noch sehr stark unter einem natürlichen Selektionsdruck.